Gottesfunken und Gottesleben
– G.K. Holderer –
Der Mensch hat bekanntermaßen ausser seinem Aussenkörper noch eine Seele und einen Geist. Im Leben auf Erden gilt es, die Seele an den Geist heran zu führen, denn dieser hat die führende Kraft der ewigen Wahrheit in sich. Unser Körper aus Fleisch und Blut ist geeignet die vielerlei Eindrücke aus der Aussenwelt aufzunehmen und in der Seele mit dem Wissen des Geistes zu vergleichen. Im Kern des Geistes ist aber noch der Gottesfunken in einer besonderen Umhüllung eingelagert, der nicht nur das Abbild von Jesus trägt, sondern auch die göttliche Wesensart besitzt.
Der Name „Gottesleben“ sagt es eigentlich schon selbst: es ist das unendliche Leben, verbunden mit der alles schaffenden Liebe des Schöpfers, der für uns Menschen der himmliche Vater ist. Im Menschen ist es die erwachte Verbindung zu Gott.
Der Gottesfunken ist uns gegeben und will uns helfen das Gottesleben in uns auf zu nehmen, um Kinder des ewigen Gottes zu sein.
Nun stellt sich die Frage, wie und was wir bewegen müssen, um dies verwirklichen zu können. Dabei wird uns sehr schnell klar, dass uns die göttliche Hilfe nonnöten ist. Ohne sie würden wir dies übergroße Ziel niemals erreichen. Aber – auch unsere intensive Tätigkeit wird verlangt, denn niemand kann über eine Brücke gehen ohne die Beine zu bewegen.
Jesus sagt dazu in Band 5 des GEJ: „Kann der Mensch durch die Beachtung der besten Ordnung aus Gott seine Seele in eine stets größere Tätigkeit versetzen, so wird es in ihr auch in allen ihren Sphären heller werden. Sie wird sich dadurch stets heller und reiner erkennen und auch ebenso die göttliche Kraft, die in sie einfließt und in ihr ein stets höheres Leben schafft.“ Diese genannte Ordnung wird in besonderem Maße durch die beiden Liebesgebote angesprochen: „Liebe Gott über alles und deinen Nächsten so wie dich selbst.“ Auf dieser Basis sollen wir leben, denn nur diese Erkenntnis kann uns wieder zu Menschen in Gottes Ordnung verändern.
Machen wir nun einen Sprung von einigen Jahren in die Zeit der noch jungen christlichen Gemeinde. Einige der Jünger, sowie Maria, die Mutter Jesu und auch einige Römer besuchten immer wieder Lazarus in Bethanien. Auch Paulus, der gerade sein Erlebnis mit Jesus unterwegs nach Damaskus hatte, war bei Lazarus angekommen. In ihren Gesprächen – die von Max Seltmann in ähnlicher Weise wie bei Jakob Lorber aufgeschrieben wurden – wird uns vieles über den Gottesfunken und das erwachende Gottesleben im Menschen mitgeteilt:
Die Erhaltung aller Menschenseelen ist der herrliche Wesenszug der unendlichen Liebe Gottes. Die Liebe gilt aber nicht nur denjenigen, die Ihn bekennen, sondern allen Menschen. Er benutzt keinesfalls Seine Allmacht um seine Gegner zu vernichten. Wer von uns Menschen Seine erbarmende Liebe in sich erfasst hat, wird auch Sein freiwilliger Diener sein wollen. Er fühlt den erwachenden Gottesfunken in sich, der strahlendes Leben aussendet.
Maria sagte damals zu Jonas: „Wenn dein in dir wohnender Geist die einengenden Fesseln der Seele gesprengt haben wird, dann wird dir dein Geistfunken so manches offenbaren, was dir heute noch als unmöglich erscheint.“ Doch ist dies nicht so einfach. Es gehört eine große Portion Energie dazu ständig Liebe einzusetzen und diese soll ja nicht unter Zwang gebraucht werden, sondern aus dem Gefühl des Gebenwollens.
So berichtet der Jünger Johannes in Bethanien ein Wort Jesu: „Wollte Ich auch euren Kampf verhindern, euer Leid und euer oft schweres Ringen, so wäre dies doch ohne Nutzen für eure Entwicklung. Denn gerade durch den harten Kampf mit dem Irdischen wird eure Seele freier und selbstständig, wodurch der in euch noch still ruhende Geistfunken aus Mir erwacht.“
Dem Erwecken des Gottesfunken in uns muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten. Ist er einmal in Tätigkeit, so kann man in sein Herz gehen und mit ihm Zwiesprache halten. Nicht immer wird eine Antwort kommen. Wenn nicht, dann war es eben noch nicht an der Zeit mich über meine Frage in Kenntnis zu setzen. Jedoch ist die Freude groß, wenn man eine Antwort erhält. Der Gottesfunken gibt uns reichliches Wissen über das Sehnen des heiligen Vaters, dass Seine Kinder in Ihm nicht nur den großen Schöpfer und Gott erkennen mögen, sondern in Ihm den liebenden Vater erschauen sollen. Der Glaube an Gott setzt Ehrfucht voraus, während die Liebe zum himmlichen Vater die Hingabe in freudiger Kindesliebe ausdrückt.
Einer der Römer, die im Hause des Lazarus anwesend sind, erläutert an Paulus das Gefühl zu seinem Geistfunken: „Ich weiss bestimmt, dass auch der größte Eifer meinerseits, Ihm ein treuer Diener zu sein, an meiner Ohnmacht scheitern würde. Nun aber habe ich mein Leben ganz in die Hände der Liebe des Herrn gelegt und so kann Er mich umgestalten. Nicht ich selbst, o nein, nur Er ist in mir die Triebkraft all meines Tuns.“ Unsere Informationsquelle ist also der Gottesfunken, der uns in Verbindung mit Jesus bringt, um dann Ihm die Initiative für unser Leben auf der Erde zu übergeben. Wir dürfen ganz sicher sein, dass sich Seine Liebe auf uns überträgt. Unser gefundenes Innenleben, das sich auf der Jesusliebe aufbaut, wird sich dann auf unser Aussenleben auswirken. Die Ereignisse der Welt werden wir dann aus der Sicht der göttlichen Liebe beurteilen, die alle Lebewesen zu sich ins geistige Sein zurückführen will.
Bis es aber so weit ist, werden wir oft durch tiefe, schmerzliche Zeiten in innerer Dunkelheit geführt, um diesen Funken der göttlichen Liebe in uns zu befreien und unser Wesen zu verändern, bis wir zu einem neuen, glücklich machendem Innenleben erweckt sind.
Stephanus, der wie manch anderer, von Paulus (damals noch Saulus) gefangen genommen und selbst gesteinigt worden war, erschien ihm in einem Traum und lehrte ihn: „Es ist nicht ohne Grund, warum der Herr dich dies alles erleben lässt. Gottes Boten müssen klar sehen und dazu hilft ihnen der im Menschen erweckte Gottesfunken. Im tiefsten Grund könnte jeder Erdenmensch die geistige Welt schon jetzt in sich erleben. Wer sich aber von seinen anerzogenen und vom Verstand übermittelten Begriffen nicht trennen kann, wird nie die Gnade erleben dürfen, in seiner Innenwelt die wahre und ewige Geisteswelt schon auf Erden zu schauen.“
Nach dem Maß unserer Liebe wächst Sein Ich im Menschen, was bedeutet, dass gleichzeitig unser Eigensinn, unser Egoismus abnehmen muss. Dabei ist von großer Bedeutung, dass jeder Mensch in sich selbst finden muss, wie er sich zur Vaterliebe einstellen will. Wer dies alles nur mit seinem Verstand erfassen will, der wird herzlich wenig vom Wehen des Gottesfunken verspüren. Aber es ist auch nicht die Folge des bloßen Glaubens, sondern es ist die vollständige Einigung des in uns lebenden Gottesfunken mit dem Feuer des ewigen Ur-Geistes. Werde ganz Liebe, dann kannst du täglich solche Wunder erleben, die eine natürliche Folge des in dir sich regenden Gottesleben sind.
Lebt dann Gott in dir, dann wird Er sich dir nie anders nahen können, als deine Vorstellungen von Ihm sind. Dies geschieht aus Rücksicht zu deinem Leben, da nie und nimmer die Entscheidungfreiheit des Gotteskindes angetastet werden darf.
Einen Rat hören wir in den Gesprächen bei Lazarus: „Bleibe einfach und schlicht und sei dir bewusst, dass es viel besser ist, wenn man Brücken baut zu den Herzen der Mitmenschen, als sich von ihnen zurück zu ziehen. Nach dem Maß deiner Liebe zu allen Seelen wird dir Kraft zufließen und nach dem Maß deiner vollen Hingabe an Gott wirst du Licht und Klarheit erhalten.“
Auf diese Weise wird uns der Gottesfunken zum erkennenden Gottesleben führen, das aus dem Herzen kommt und sich auf alles ausdehnt was wir tun. Das Erdendasein erleben wir dann aus geistiger Sicht und verwundern uns, mit welch unglaublicher Liebe und Geduld wir vom himmlichen Vater geführt werden. Es versteht sich von selbst, dass wir für Seine Führung sowohl danken als auch immer wieder darum bitten müssen, damit wir in Seiner Wahrheit bleiben dürfen und Sein Segen nicht endet. Sein heiliges Leben in uns ist Sein großes Gnaden-Geschenk! Er sorgt dafür, dass uns nichts Böses schaden kann, dabei kommt es nicht so sehr auf das materielle sondern auf das innere, geistige Wachstum und Wohlsein an.
Wir dürfen uns freuen, wenn wir begonnen haben Jesus lieb zu haben, aber das schließt mit ein, dass wir andere, die noch Seine Gegner sind, nicht verurteilen sollen, denn auch auf sie wartet die väterliche, göttliche Liebe. Vergessen wir nicht, dass wir alle – also die ganze Menschheit – von Gott abstammen. Deshalb trägt auch jeder Mensch den Funken des göttlichen Lebens in sich, der die Entwicklung des Menschen garantiert. Durch verkehrtes Handeln ist dieser Funken zunächst zwar verdeckt, wird aber gewaltig tätig, wenn wir wach gerüttelt werden und beginnen an Gott zu glauben und Ihn zu lieben.
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Artikel: “Gottesfunken und Gottesleben” – G.K. Holderer 2006.